Spot Guide: Davos
letztes Jahr von Traildevil

Fotos: Martin Bissig / Text: Ralf Glaser
Es gibt Mountainbike-Destinationen, deren Besuch man nicht länger aufschieben sollte. Und solche, bei denen die Liste der abzuhakenden Trails so lang ist, dass mancher Local noch daran arbeiten. Auf die Region Davos Klosters trifft beides zu.
Die gute Nachricht zuerst: Die Davoser Bucket List für die Mountainbike-Saison 2024 ist wieder um einige Positionen länger geworden. 40 Kilometer und 2400 Tiefenmeter länger, um genau zu sein. Eines unter zahlreichen Highlights: Sobald der Schnee geschmolzen ist, wird der Alps Epic Trail Davos, der sich vom Jakobshorn via Rinerhorn bis hinunter nach Filisur schlängelt, für Mountainbiker wieder frei befahrbar sein. Der Trail ist nicht nur einer der längsten der Schweiz, sondern auch ein absolutes Mountainbike-Highlight im gesamten Alpenraum. Wenig erstaunlich: Die International Mountainbike Association hat den Alps Epic Trail als bisher einzigen Trail in den Alpen in die exklusive Liste der Epic Rides aufgenommen. Wenn man jetzt noch die wenig überraschende Nachricht verdaut, dass die Strecke Jakobshorn-Rinerhorn gleichzeitig ein beliebter Höhenwanderweg ist, kann man sich das Dilemma der lokalen Tourismus-Verantwortlichen wohl recht gut vorstellen. In den Sommermonaten 2019 wurden dort oben rund 21'000 Wanderer und 10'000 Mountainbiker gezählt, die alle auf denselben Wegen unterwegs waren. Wer die Rush Hour auf diesem Trail je selber miterlebte weiss, dass es für eine Co-Existenz von beiden Seiten extrem viel Goodwill brauchte. Eine Entflechtung war kaum mehr zu vermeiden.
Die im Frühjahr 2022 lancierte Nachricht, dass der Epic Trail für die komplette Saison und wohl auch 2023 gesperrt bleiben würde, traf die Fans der Davoser Singletrails trotzdem wie eine kalte Dusche. Immerhin wollten über acht Kilometer neue Trails gebaut werden, um Mountainbiker und Wanderer zu «entflechten», beiden jeweils eigens für sie reservierte Wege zur Verfügung zu stellen, und so freie Fahrt für Mountainbiker zu schaffen. Eine wahre Herkulesaufgabe, zumal ja die komplette Strecke in alpinem Gelände verläuft, und der Wegcharakter erhalten bleiben sollte. Doch da hatten wohl auch die Verantwortlichen selbst nicht mit der grossen Motivation ihrer eigenen Trailbau-Crew gerechnet. Ihnen, aber wohl auch der warmen Witterung im Sommer 2023 war es zu verdanken, dass die Bauarbeiten weit schneller als geplant vorangingen und die Strecke schon ab Spätsommer letzten Jahres wieder befahrbar war – mit mehr Flow denn je! Okay, auf verschiedenen Teilstücken, an denen die Topographie keinen zweiten Trail hergab, ist nach wie vor gegenseitige Trail-Toleranz gefragt. Doch auf dem wichtigsten Teil der Strecke, sprich dem Downhill ab Wiitibärg, haben Mountainbiker nun komplett freie Fahrt. Und auch zuvor schon, etwa auf dem Abschnitt zwischen Jakobshorn und Sertig Dorf, steht Bikern auf gut der Hälfte der Strecke ein eigener Trail zur Verfügung.

Freie Fahrt für freie Mountainbiker
Aber Davos wäre nicht Davos, wenn sich die Erzählung von Superlativen jetzt schon erschöpft hätte. Um es gerade heraus zu sagen: Das Netz aus Seilbahnen und Singletrails ist vor Ort so dicht gesponnen, dass nur die eigene Physis Limiten setzen kann. Wer das für reines Marketing-Blabla hält, mag sich mit dem Singletrail-Weltrekord messen, den Christoph Fässler und Ralph Van Den Berg im Juli 2021 auf dem satte 700 Kilometer umspannenden Trailnetz auf die Beine gestellt haben. Innerhalb von 16 Stunden zimmerten die beiden hartgesottenen Enduro-Piloten mit gütiger Unterstützung der Seilbahnen satte 20'845 Tiefenmeter auf ihre GPS-Uhren. Und fuhren dabei keinen einzigen Trail zwei Mal! Da mag einem im Vergleich die als Bahnentour bekannte Trailschaukel zwischen Davos und Klosters trotz annähernd 10’000 Tiefenmetern wie ein Ruhetag vorkommen! Aber keine Sorge. Wenn du eher auf Klasse denn auf Masse Wert legst, und dich dein Alltag schon genügend ans Limit bringt: dir kann geholfen werden! Denn Rekorde wie der genannte, oder der E-Bike-Uphill-Weltrekord, bei dem Ralph Van Den Berg und Max Chapuis im letzten Jahr satte 14'623 Höhenmeter nach oben kurbelten, sollen lediglich die Möglichkeiten vor Ort illustrieren. Wenn es eine Nummer kleiner genauso tut, und man sich gerne im Bereich des auch für Normalsterbliche Machbaren bewegt, dann sind den eigenen Ambitionen rund um Davos und Klosters erst recht kaum Grenzen gesetzt. Ein Beispiel gefällig? Wer sich von der Formel «Seilbahn hoch, Singletrail runter» angesprochen fühlt, sollte das «Trail Ticket» erwerben. Unter diesem Begriff sind drei Touren unterschiedlicher Schwierigkeit zusammengefasst, analog zu Skipisten in den Farbcodierungen blau bis schwarz. Während auf der blauen Strecke auch Familien und Trail-Einsteiger voll auf ihre Kosten kommen, ist auf der schwarzen Strecke schon wieder das Messer zwischen den Zähnen gefragt. Denn immerhin geht es hier auf knapp 90 Kilometern Weg beachtliche 6'300 Tiefenmeter nach unten – mithin die optimale Vorbereitung auf die legendäre Bahnentour!

Ach so, dir geht’s gar nicht so sehr um das Tiefenmeter-Shredden an sich, sondern mehr um das Mountainbike-Erlebnis in der Gruppe? Bestens, denn das Eventprogramm von Davos Klosters ist auch in der Saison 2024 vollgepackt. Eine fette Markierung im Kalender ist zum Beispiel das Bike-Opening Rock the Bock Ende Juni wert. Oder wie wär’s mit dem Grischa Trail Ride im Hochsommer, oder dem Mondraker Enduro Team Race zum Saisonabschluss? Gar nicht so einfach, sich zu entscheiden? Wie gesagt: in diesem Teil Graubündens artet das Abhaken der Bucketlist fast schon in Arbeit aus. Aber wo steht geschrieben, dass Arbeit keinen Spass machen darf?
www.davosklostersmountains.ch
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