Die Schallmauer ist durchbrochen

vor 3 Jahren von Traildevil



Ein ordentlich ausgestattetes Mountainbike für 6000 Franken? Ist mittlerweile fast so utopisch wie die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. Bei «What the Hell» geht es diese Woche um die aktuelle Preispolitik der Bikebranche. Nach oben scheint jede Grenze offen. Läuft die Branche Gefahr, den Bogen zu überspannen?    

Der grosse BORN-Biketest in der vergangenen Woche: Zugegeben, da lehnen wirklich schicke Bikes an der Wand. Erstklassige Ausstattung, Highend-Teile, entweder Top-Modelle, oder ziemlich nah am Optimum. «Edle Göppel», meinte einer der Tester mit anerkennendem Kopfnicken. Klar, wenn die Hersteller neue Bikes in einen Test schicken, sind diese meist im oberen Bereich der Möglichkeiten bestückt. Dieses Mal mussten wir uns aber ganz schön die Augen reiben: Die meisten 2022er-Modelle kratzen an der magischen 10‘000-Franken-Mauer, ein paar durchstossen diese aber auch mit einem lauten Knall. Für das teuerste E-Mountainbike muss man dann 12‘500 Franken hinlegen. Zum Vergleich: eine nagelneue 450er KTM Motocross-Maschine ist 500 Franken günstiger!  




Boom treibt die Preise
Bei manchen Hersteller gab es innerhalb einer Saison Preissprünge von bis zu 20 Prozent. Geht’s noch? Ein ordentlich ausgestattetes Bike für um die 6000 Franken, das tönt mittlerweile nach «Opa erzählt vom Krieg». Nutzt die Branche den Bike-Trend schamlos aus, um sich die Taschen zu füllen? So einfach ist die Erklärung nicht. «Der gegenwärtige Fahrrad-Boom bringt die Branche an die Belastungsgrenze», sagt Juliane Bötel, PR-Managerin der Specialized Germany GmbH. Um diese rasant gesteigene Nachfrage auch langfristig und nachhaltig sicherstellen zu können, habe sich Specialized dazu entschlossen, dementsprechend in die Produktionskapazitäten zu investieren. «Diese Investitionen, zusammen mit den insgesamt gestiegenen Kosten in der Supply Chain (z.B. Material- und Frachtkosten) können wir nicht allein tragen, was eine entsprechende Preiserhöhung zur Folge hat», so Bötel weiter. Durch diese «notwendige Preisanpassung» wolle Specialized die Verfügbarkeit der Produkte im Markt sicherstellen.

Auch Martin Platter, Geschäftsführer vom Branchenverband velosuisse, hat diesen Preisschub in den beiden zwei Corona-Saisons beobachtet. Für ihn hat er mehrere Gründe. Auch er benennt die Probleme auf dem Rohstoffmarkt und mit den internationalen Lieferketten als hauptsächlichen Preistreiber. «Es gibt massive Preisansteige bei den Frachtkosten», sagt Platter. Dazu komme noch ein weiterer Faktor: «In den vergangenen Jahren gab es einen massiven Technologieschub. Unter anderem gibt es mehr Elektronik am Bike. Während ein normales Schaltwerk 150 Franken kostet, liegen die Preise bei den elektronischen Modellen zwischen 300 und 500 Franken.» Der Kunde bekomme – sofern gewünscht – hier doch einen ordentlichen Mehrwert. 

Überschrittene Grenze
Platter hat aber auch beobachtet, «dass die 10'000-Franken-Preisobergrenze seit 2020 an Bedeutung verloren hat». Gab es früher nur einzelne Edel-Exoten, die ihre Bikes im fünfstelligen Bereich angeboten haben, überschreitet mittlerweile so gut wie jede Brand mit mindestens einem Modell diese magische Grenze. Und offensichtlich sind genügend Kunden bereit, diese saftigen Preise zu zahlen. Vor allem, wenn sie eine gewisse Performance beim Fahrwerk, beim Antrieb oder Bremsen nicht missen möchten. Oder es sich schlichtweg leisten können. Günstigere Modelle, sofern man bei Preisen von 5000 Franken von günstig sprechen möchte, werden dagegen von den Herstellern immer häufiger mit deutlich geringerwertigen Parts ausgestattet.  

Ist Biken das neue Golf?
Doch wo führt das alles hin? Wird Biken das neue Golf? Ein Sport für einen elitären Zirkel, plus eine kleine Gruppe professioneller «Szenies», die entweder nichts für ihr Material bezahlen oder über Connections günstig an die heisse Ware kommen. Und die grosse Masse hofft auf einen Schnapper bei den jährliche Occasionen, setzt komplett auf die Versender – oder hält den Alu-Göppel mit Sales-Parts am Laufen. Sicher, auch die Pandemie hat ihren Anteil an den hohen Preisen. Aber die Bike-Branche läuft gerade Gefahr, dass sie den Bogen überspannt. Der Umsatz mit den Edel-Schlitten mag jedem Brand-Manager die Freudentränen in die Augen treiben. Wer anstatt auf die Rider auf das grosse Geld setzt, sollte sich zumindest das ganze Marketing-Gesülze von den «Rider driven brands» sparen. Denn beim Sport gilt nach wie vor: Mountainbiking is a rider driven sport.




Thomas Werz
Kommentare

Traildevil

vor 3 Jahren 11/11/2021

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Dominik Bosshard