WHAT THE HELL: Volle Power – nein Danke!

vor 3 Jahren von Traildevil



«What the Hell!» So heisst unser neues Blog-Format, in dem wir uns regelmässig mit aktuellen Mountainbike-Themen auseinandersetzen – von Techtalk und Sport, über Lifestyle und Szene-Gossip bis zu Bike-politischen Themen. Diese Woche geht es um E-Mountainbikes und die Frage: Wie viel Power braucht es tatsächlich im Unterrohr? Immer volle Power samt dem Range-Extender-Akku-Package? Oder sind die sogenannten «Minimal Assist» Bikes die Zukunft?

«What the Hell!», bringt volle Power vollen Fahrspass? Wir freuen uns auf eine angeregte Diskussion. Ihr habt Themen für uns: Dann nichts wie her damit unter redaktion@traildevils.ch


Braucht’s tatsächlich die maximale Power?
Braucht es überhaupt E-Mountainbikes? Ich glaube, diese Frage stellt sich 2021 schon lange nicht mehr. Alleine 2020 wurden in der Schweiz gut 40 Prozent mehr E-Mountainbikes verkauft als im Jahr zuvor. In Zahlen: 68‘234 zusätzliche E-Mountainbikes erobern die Trails. Und die meisten Fahrer, setzen ähnlich wie beim Auto, auf ordentlich Power: Bigger is better! 250 Watt, Akku mit mindestens 600 Wattstunden und wenn möglich mit extra Range-Extender für die richtig harten Touren – oder einfach nur dass man es hat. Falls man doch die 2000-Höhenmeter-Marke knacken will. Da geht’s dann steil bergauf, und es darf auch technisch ruhig etwas wilder sein.  

Keine Frage, mit ordentlich Zusatzpower die Trails auch hochzuziehen macht Spass. Richtig Spass! Ich nehme mich da nicht aus. Und jeder, wirklich auch die grössten E-MTB-Verächter unter meinen Kollegen, können sich das Grinsen nicht verkneifen, wenn sie dank extra Support bergauf eine technische Schlüsselstelle knacken, die ehrlicherweise 99 Prozent aller Mountainbiker ohne E-MTB auf dem Ticket haben. Oder einfach den einen, super coolen Trail in der gleichen Zeit drei Mal fahren. Ja, das macht Spass! Auch mir. Ich habe in den vergangenen zehn Jahren viele verschiedene E-Mountainbikes gefahren. Und einige wilde Entwicklungen und Fehlgriffe gesehen. Tatsächlich wurde das Fahrerlebnis von Jahr zu Jahr besser. Sowohl die Bike-Hersteller als auch die Antriebs-Platzhirsche Bosch eBike Systems, Shimano oder Yamaha haben über die Jahre ihre Hausaufgaben gemacht.



In den vergangenen zehn Jahren gab es im Bereich E-MTB schon wilde Entwicklungen, wie beispielsweise das Spitzing M1 mit brachialer Kraft und einem 850.Watt-Motor. Foto: M1-Sporttechnik


Wenn ich an meinen ersten echten E-MTB Tests 2013 zurückdenke, ist es absolut beeindruckend, wohin sich diese klappernden Daniel-Düsentrieb-Kisten innerhalb dieser doch kurzen Zeitspanne entwickelt haben. Heute kann man ja wirklich und ohne schlechtes Gewissen behaupten: Ein aktuelles E-MTB fährt sich – mal abgesehen von den extra Kilos – fast wie ein normales Bike. 

Wann ist weniger mehr?
Aber eine Frage treibt mich in letzter Zeit immer häufiger um: Braucht es das? Brauch ich tatsächlich immer die Extrapower? Ist das noch richtig Mountainbiken – oder definiert das auch unseren Sport ganz neu? Klar, man könnte einfach behaupten: Muss man halt seine Challenges verändern? Steiler, technischer, weiter … Keine Frage, mit ordentlich Trial-Skills geht da noch einiges. Aber das meine ich nicht: Denn über die Zeit habe ich festgestellt, dass ich diese enorme Power gar nicht benötige. Dass ich denn Assist schätze, wenn es lange und steil bergauf geht. Aber, dass ich eigentlich ein wendiges Bike möchte. Die aktuelle Entwicklung im Bereich «Minimal Assist», also mit kleineren Motoren, mit weniger Leistung und weniger Akku-Reichweite, kommt mir da sehr entgegen.

Egal ob das Lapierre eZesty oder Trek eCaliber und ihrem Fazua-Antrieb, das potente Specialized Kenevo SL oder Orbeas leichte Trail-Maschine Rise: Immer mehr Hersteller setzen auf Downsizing. Antrieb ja bitte – aber eben mit dosierter Power – und deutlich weniger Gewicht. Da wird die 20 Kilo Schallmauer endlich nach unten durchbrochen. Klar muss man da bergauf anders mit der Energie haushalten und kann nicht im Turbo- oder Boost-Mode über die Trails bergauf fliegen. Aber das Bike fährt sich dafür bergab auch deutlich anders: verspielt, wendig, stabil in der Luft – eben wie ein ganz normales Enduro-Bike. 


Ist da ein Akku drin? Auf den ersten Blick erkennt man kaum, dass das Orbea Rise ein E-MTB ist. Der kleinere Akku drückt dafür das Gewicht unter die 20-Kilo-Marke. Foto: Jens Scheibe.


Ein E-Bike für Nicht-E-Biker
Ich glaube, dass kompakte und kleine Antriebe dem E-MTB noch einmal einen ganz anderen Schub verleihen können. Denn so wird ein E-MTB auch für eine Zielgruppe interessant, die eigentlich «niemals auf ein E-Bike steigt!», die eigentlich lieber shuttelt oder die Gondel nimmt und das eigene Enduro nur dann weiter als zum Trail-Head tritt, wenn es unbedingt sein muss. Für mich wäre diese Bike-Gattung der ideale Begleiter beispielsweise für Trailparks mit 100 bis 300 Metern Höhenunterschied ohne Bergbahn. Da wären einfach die doppelte Zahl an Runs drin. Und: Das «Minimal-Assist-Bike» schafft es, eine Gruppen viel besser zu homogenisieren als die normalen E-MTBs. Auf einmal sind bergauf nicht mehr 22 km/h der kleinste gemeinsame Nenner, sondern vielleicht zwölf. Und alle müssen treten, aber die einen vielleicht ein bisschen weniger streng.

Es gibt Stimmen aus der Bike-Industrie, die behaupten, dass bis in fünf Jahren der normale «Bio-Biker» auf den Trails ein Mauerblümchendasein fristet. In manchen Regionen, so habe ich den Eindruck, ist es schon längst soweit. Ob sich dann auch die Hardcore-E-Verweigerer elektrisieren lassen? Ich warte gespannt – mit ein bisschen weniger Leistung und vollem Fahrspass.




Thomas Werz
Chefredakteur des BORN Mountainbike Magazins. Berufsbedingt hat sich das E-MTB in den vergangenen zehn Jahren in sein Leben geschlichen. Am liebsten fährt er immer noch ohne Strom – aber die leichte Unterstützung hat ihm als «Trail-Taxi» für die beiden Söhne schon einige Körner gespart.  Kommentare

Traildevil

vor 3 Jahren 6/18/2021

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Hansueli Spitznagel