WHAT THE HELL: Rekordjagd - was treibt uns eigentlich an?

vor 4 Jahren von Traildevil



«What the Hell!» So heisst unser Blog-Format, in dem wir uns mit aktuellen Mountainbike-Themen auseinandersetzen – von Techtalk und Sport, über Lifestyle und Szene-Gossip bis zu Bike-politischen Themen. Diese Woche gehts um Motivation und Rekorde. Die Frage danach, was uns Menschen täglich antreibt und zu persönlichen Höchstleistungen bringt. Wir freuen uns auf eine angeregte Diskussion. Ihr habt Themen für uns: Dann nichts wie her damit unter redaktion@traildevils.ch 

Der Drang des Menschen zu Evolution, Rekorden und Superlativen ist sicherlich so alt wie die Menschheit selbst und Anlass zu zahlreichen Studien, Untersuchungen und Theorien. Fast jeder Psychologe und Philosoph, der etwas auf sich hält, fragt sich mindestens einmal in seinem Leben: «Was treibt den Menschen an?»

Waren es bis Ende des 20. Jahrhunderts Pionierleistungen und Erstbegehungen, so geht es heute mehr denn je um höher, schneller, weiter. Da bis dato so ziemlich jeder Fleck der Erde mit irgendeinem Sportgerät befahren oder erkundet worden ist, zählt immer mehr die Zeit oder Intensität in der dies geschieht. Vor zwei Tagen haben Silvan Meifart und Ralph van den Berg in Davos einen neuen Tiefenmeter-Weltrekord auf dem Mountainbike aufgestellt – schier unglaubliche 20‘845 Tiefenmeter standen nach 16 Stunden auf der Uhr.


Silvan und Ralph auf dem Weg zum Weltrekord

Die einen werden sagen: «Krasse Leistung, mir schlackern schon nach drei Runs auf dem Hometrail die Unterarme!» Andere werden fragen: «Wie viel hätt‘ ich wohl selbst geschafft?» 
Und wieder andere werden Fragen: «Warum?» – Wir sagen an dieser Stelle erst einmal: «Mega Leistung – Herzlichen Glückwunsch!»
Also woher nehmen Menschen die Motivation und den Antrieb zu sportlichen, körperlichen oder mentalen Höchstleistungen? 


Die Klinische Psychologin Birgit Derntl von der Universität Tübingen schreibt dazu in einer Abhandlung:

«Spätestens seit der Bedürfnispyramide von Abraham Maslow, die sicherlich eine der bekanntesten Inhaltstheorien der Motivationsforschung darstellt, ist davon auszugehen, dass es gewisse Bedürfnisse eines jeden Menschen gibt, die befriedigt werden müssen, zum Beispiel Hunger oder Sicherheit. Daniel McClelland hat schliesslich Anfang der 1960er-Jahre seine Theorie der drei Grundbedürfnisse eines jeden Menschen aufgestellt – das Bedürfnis nach Erfolg, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und das Bedürfnis nach Macht.

Um einen Schritt über die Bedürfnisse hinauszugehen, können wir die folgenden Fragen formulieren. Was passiert in unserem Körper, wenn mehr von uns gefordert wird oder wir mehr wollen? Was passiert, wenn die Grenzen unserer Bedürfnisse - so sie existieren und auch spürbar sind - überschritten werden? Wie schnell bin ich und wie viel bin ich bereit zu leisten - und für welchen (sozialen oder monetären) Preis bzw. welche Belohnung? Experimentell können wir uns den Bedürfnissen nur annähern. Sie tatsächlich zu erheben, oder das Gehirn dabei zu messen ist nicht machbar.

Um einen Einblick zu bekommen, was Menschen antreibt, gehen die Neurowissenschaften einen indirekten Weg. Dabei wird beispielsweise die Verarbeitung von belohnenden oder bestrafenden Reizen untersucht. Die diesen Prozessen zugrundeliegenden neuronalen Systeme eignen sich gut, um aufzuzeigen, was Menschen motiviert Dinge zu tun, um positive Konsequenzen herbeizuführen, oder Dinge zu unterlassen, um negative Konsequenzen zu vermeiden.»


Das klingt natürlich erst einmal alles kompliziert und wahnsinnig hochtrabend. Aber wenn wir es einmal aufs Wesentliche runter brechen geht es vor allem um eines: Glücksgefühle! Positive Reize in unserem Gehirn – die Ausschüttung von Glückshormonen, wenn körperlichen Grenzen überschritten und gesteckte Ziele erreicht werden. Körperliches Wohlbefinden. 
Wer kennt es nicht: Dieser neue Sprung oder Trick, den wir uns zuerst nicht getraut haben und bei dem wir ewig gezögert haben, ist endlich geschafft! Voller Endorphine verteilen wir erst einmal High-Fives an alle Buddies und sind stoked! Ein Gefühl, das süchtig macht und zu ständig neuen Leistungen antreibt!

Auf Nachfrage verrät uns einer der beiden Weltrekordhalter Ralph van den Berg am Telefon, dass der bestehende Rekord von 2015 ihn motivierte schon damals ebenfalls die 20'000 Tiefenmeter zu knacken. Konditionell habe er es sich das zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht zugetraut.
Als er am Abend nach einer Davoser Bahnentour allerdings noch einiges an Körnern übrig hatte, war die Idee zum neuen Weltrekordversuch geboren. Ralph und Silvan waren schon auf einigen gemeinsamen Bike-Touren unterwegs: «Trainieren konnten wir für den Weltrekord, aufgrund des langanhaltenden Schnees in den Bergen, meist nur die Hälfte einer Tour und dabei meist mit nur 6000 Tiefenmetern», erklärt uns Ralph. Trotz der schwierigen Bedingungen im Frühjahr ist der neue MTB-Weltrekord dank minutiöser Planung geglückt. «Heute brennen dafür Unterarme, Schultern und Hände ordentlich» sagt Ralph, er sei froh, dass er am Tag danach nicht zur Arbeit zu müssen. Glücklich wird er allemal sein! 

Und egal ob es nun ein Weltrekord oder der neue Sprung auf dem Hometrail ist – jeder Mensch hat etwas anderes und individuelles, was ihn antreibt! Was treibt Euch an? Gibt es Limits, die ihr pulverisieren wollt? Was ist eure nächste Herausforderung? Wir sind gespannt und freuen uns über eure Kommentare und Nachrichten!


Jens Scheibe





Wenn Jens nicht grade im alten Land Rover auf dem Weg durch Afrika, mit dem Surfboard in Französisch-Polynesien oder mit dem Mountainbike auf norwegischen Trails unterwegs ist, findet man ihn meistens irgendwo in den Alpen. Eine Mountainbike-Verletzungspause in der Jugend hat dazu geführt, dass er sich mit Papas alter Kamera beschäftigte und sie nie mehr aus der Hand legte. Deshalb ist er heute als Surf-, Bike- und Outdoor-Fotograf und Filmemacher auf der ganzen Welt unterwegs und arbeitet als freier Redakteur für unterschiedliche Bike-Medien. Mehr dazu: Jens auf Instagram Kommentare

Traildevil

vor 4 Jahren 7/22/2021

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Hansueli Spitznagel