WHAT THE HELL: Müssen die Berge liefern?
vor 3 Jahren von Traildevil
«What the Hell!» So heisst unser Blog-Format, in dem wir
uns mit aktuellen Mountainbike-Themen auseinandersetzen – von Techtalk und
Sport, über Lifestyle und Szene-Gossip bis zu Bike-politischen Themen. Diese
Woche geht’s um das Naturverständnis von Mountainbikern und die Frage, ob allen
Ortes alles geboten sein muss. Wie passen wir den uns zur Verfügung stehenden Raum
an unsere Bedürfnisse an – oder sind es nicht doch wir, die uns anpassen
müssen?
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In grossen Kurven windet er sich durch die Bergkulisse, mal geht es sanft, mal schnell dahin. Nein, auf Flowtrails komme ich später zu sprechen – gemeint ist der Inn, rätoromanisch En. Namensgebend für das Engadin, Wahlheimat von Xaver Frieser, Swiss Cycling Guide und Projektleiter der «Trailuniun». Der Zusammenschluss aus bikenden Locals, Trailbuildern und Freiwilligen macht sich für ein zusammenhängendes Trailnetz in den Tälern von Unterengadin, Samnaun und Val Müstair stark. Gerade veröffentlichten die beiden Schweizer Trailbaufirmen, die mit am Werk sind, ein Video zum Vorhaben. Darin geht es um Respekt gegenüber der Natur. Ihn zu gewinnen, ist auch ein Prozess, findet Xaver: «Je mehr man sich einlässt, desto mehr realisiert man, wie viel Verantwortung man hat und was schützenswert ist.»
Nun sag‘, wie hast du’s mit der Natur?
In die Runde gefragt würden wir Mountainbiker uns vermutlich mehrheitlich als naturverbunden und umweltbewusst bezeichnen, oder? Gut, wir fassen uns schon mal selbst an die Nase, wenn es um die regelmässig mit dem Auto zurückgelegten Kilometer geht, die uns zu weiter entfernten Bike-Destinationen bringen. Und darüber hinaus? «Das Naturverständnis unter Bikern ist oft erschreckend rudimentär», findet Xaver. Kopfzerbrechen bereitet ihm das nicht nur, weil wir mehr in der Summe werden, sondern auch wegen der rasant zunehmenden Skills des Bike-Nachwuchses. «Wir beobachten dabei eine Entwicklung, die ähnlich ist wie im Wintersport», sagt er. «Was in den Parks erlernt wurde, wird früher oder später ins Gelände übertragen.» Das ist per se nichts Schlechtes. Was aber, wenn das Gelände, oder besser, die dort vorhandenen Trails nicht bieten, was der Nachwuchs sucht?
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Was nicht passt, wird passend gemacht
Bedarf erkannt, Angebot schaffen. So einfach ist es leider nicht. Zum einen haben wir eine Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse: Die von Einsteigern und Könnern und sehr vielen Bikern irgendwo dazwischen. Von Geniessern und Adrenalinjunkies. Von Familien, von Tourenfahrern, von Enduristen und Downhillern … ihr wisst es selbst. Ich frage mich: Was kann welcher Raum überhaupt liefern? Oder anders gefragt: Muss jeder Raum alles liefern? Ist es sinnvoller, wenn eine Destination eine möglichst grosse Bandbreite an Trails bereithält – oder sollten sich die Destinationen in ihrem Angebot spezialisieren? Wirklich schwierig. Denn wir beobachten in der Praxis: Reicht das Angebot vor Ort den Locals nicht aus (und die jungen sind noch nicht so mobil), werden eigene Lines gefahren und gebaut. Die entsprechen dem persönlichen Anspruch, aber häufig auch nur diesem. Problematisch für den Naturschutz, wenn das, was fahrtechnisch fordert zugleich auch besonders schützenswert ist: Felsrippen, Blockhalden, karge Matten, feucht-frische Wälder … extreme Standorte beherbergen meist auch eine empfindliche Vegetation, sind wertvolle Lebens- und Rückzugsräume für teils selten gewordene Tier- und Pflanzenarten.
Einzigartige Anpassung?
Trotzdem müssen wir bei der Planung neuer Bike-Infrastruktur «bottom-up» statt «top-down» denken, finde ich. Von dem ausgehen, was der jeweilige Naturraum, bietet, statt überall den ewig gleichen Flowtrail zu schaffen. Mit der Betonung auf «gleichen». Schliesslich gibt es auch durchaus herausragende Flowtrails, die sich hervorragend in die Landschaft einfügen und an ihr orientieren. Aber nur auf diese Weise kann ein Trail mehr Alleinstellungsmerkmale bieten, als nur die Aussicht, oder? Bleibt die Frage, ob und wie wir es schaffen, damit umzugehen, dass eine Location nicht immer für jeden das Passende bietet, insbesondere wenn es um die Extreme geht. Vielleicht müssen wir auch im gleichen Masse an unserem Naturverständnis arbeiten, wie am Fahrkönnen, uns nicht nur die Skills auf dem Bike, sondern auch das nötige Wissen für unseren «Sportplatz» aneignen. Um uns viel bewusster als bisher durch unterschiedliche Landschaften bewegen zu können, an Räume anzupassen – und nicht nur den Raum an uns.
Mirjam Milad
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Jahrgang 1982, freie Redakteurin, schreibt seit vielen Jahren für unterschiedliche Mountainbike-Medien in Deutschland und der Schweiz. Seit 2020 auch Geschäftsführerin des Mountainbikevereins in Freiburg i. Br. Kommentare

In grossen Kurven windet er sich durch die Bergkulisse, mal geht es sanft, mal schnell dahin. Nein, auf Flowtrails komme ich später zu sprechen – gemeint ist der Inn, rätoromanisch En. Namensgebend für das Engadin, Wahlheimat von Xaver Frieser, Swiss Cycling Guide und Projektleiter der «Trailuniun». Der Zusammenschluss aus bikenden Locals, Trailbuildern und Freiwilligen macht sich für ein zusammenhängendes Trailnetz in den Tälern von Unterengadin, Samnaun und Val Müstair stark. Gerade veröffentlichten die beiden Schweizer Trailbaufirmen, die mit am Werk sind, ein Video zum Vorhaben. Darin geht es um Respekt gegenüber der Natur. Ihn zu gewinnen, ist auch ein Prozess, findet Xaver: «Je mehr man sich einlässt, desto mehr realisiert man, wie viel Verantwortung man hat und was schützenswert ist.»
Nun sag‘, wie hast du’s mit der Natur?
In die Runde gefragt würden wir Mountainbiker uns vermutlich mehrheitlich als naturverbunden und umweltbewusst bezeichnen, oder? Gut, wir fassen uns schon mal selbst an die Nase, wenn es um die regelmässig mit dem Auto zurückgelegten Kilometer geht, die uns zu weiter entfernten Bike-Destinationen bringen. Und darüber hinaus? «Das Naturverständnis unter Bikern ist oft erschreckend rudimentär», findet Xaver. Kopfzerbrechen bereitet ihm das nicht nur, weil wir mehr in der Summe werden, sondern auch wegen der rasant zunehmenden Skills des Bike-Nachwuchses. «Wir beobachten dabei eine Entwicklung, die ähnlich ist wie im Wintersport», sagt er. «Was in den Parks erlernt wurde, wird früher oder später ins Gelände übertragen.» Das ist per se nichts Schlechtes. Was aber, wenn das Gelände, oder besser, die dort vorhandenen Trails nicht bieten, was der Nachwuchs sucht?

Was nicht passt, wird passend gemacht
Bedarf erkannt, Angebot schaffen. So einfach ist es leider nicht. Zum einen haben wir eine Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse: Die von Einsteigern und Könnern und sehr vielen Bikern irgendwo dazwischen. Von Geniessern und Adrenalinjunkies. Von Familien, von Tourenfahrern, von Enduristen und Downhillern … ihr wisst es selbst. Ich frage mich: Was kann welcher Raum überhaupt liefern? Oder anders gefragt: Muss jeder Raum alles liefern? Ist es sinnvoller, wenn eine Destination eine möglichst grosse Bandbreite an Trails bereithält – oder sollten sich die Destinationen in ihrem Angebot spezialisieren? Wirklich schwierig. Denn wir beobachten in der Praxis: Reicht das Angebot vor Ort den Locals nicht aus (und die jungen sind noch nicht so mobil), werden eigene Lines gefahren und gebaut. Die entsprechen dem persönlichen Anspruch, aber häufig auch nur diesem. Problematisch für den Naturschutz, wenn das, was fahrtechnisch fordert zugleich auch besonders schützenswert ist: Felsrippen, Blockhalden, karge Matten, feucht-frische Wälder … extreme Standorte beherbergen meist auch eine empfindliche Vegetation, sind wertvolle Lebens- und Rückzugsräume für teils selten gewordene Tier- und Pflanzenarten.
Einzigartige Anpassung?
Trotzdem müssen wir bei der Planung neuer Bike-Infrastruktur «bottom-up» statt «top-down» denken, finde ich. Von dem ausgehen, was der jeweilige Naturraum, bietet, statt überall den ewig gleichen Flowtrail zu schaffen. Mit der Betonung auf «gleichen». Schliesslich gibt es auch durchaus herausragende Flowtrails, die sich hervorragend in die Landschaft einfügen und an ihr orientieren. Aber nur auf diese Weise kann ein Trail mehr Alleinstellungsmerkmale bieten, als nur die Aussicht, oder? Bleibt die Frage, ob und wie wir es schaffen, damit umzugehen, dass eine Location nicht immer für jeden das Passende bietet, insbesondere wenn es um die Extreme geht. Vielleicht müssen wir auch im gleichen Masse an unserem Naturverständnis arbeiten, wie am Fahrkönnen, uns nicht nur die Skills auf dem Bike, sondern auch das nötige Wissen für unseren «Sportplatz» aneignen. Um uns viel bewusster als bisher durch unterschiedliche Landschaften bewegen zu können, an Räume anzupassen – und nicht nur den Raum an uns.
Mirjam Milad

Jahrgang 1982, freie Redakteurin, schreibt seit vielen Jahren für unterschiedliche Mountainbike-Medien in Deutschland und der Schweiz. Seit 2020 auch Geschäftsführerin des Mountainbikevereins in Freiburg i. Br. Kommentare