WHAT THE HELL: Gepflegter Dirt-Talk?!
vor 3 Jahren von Traildevil

«What the Hell!» So heisst unser Blog-Format, in dem wir uns mit aktuellen Mountainbike-Themen auseinandersetzen – von Techtalk und Sport, über Lifestyle und Szene-Gossip bis zu Bike-politischen Themen. Diese Woche geht’s um Sprache. Warum verwenden wir Mountainbiker eigentlich so gerne Wörter, die nur Insider kennen? Gibt’s Begriffe, die ihr ständig nutzt – und andere, die ihr nicht mehr hören könnt? Wir freuen uns auf eine angeregte Diskussion. Ihr habt Themen für uns: Dann nichts wie her damit unter redaktion@traildevils.ch
Letztes Wochenende war ich nach dem Biken mit einer Freundin verabredet, die selbst so gar nichts mit meinem Sport am Hut hat. Unterwegs schickte ich ihr eine Sprachnachricht: «Bin gerade im letzten Stück des Uphills, melde mich, wenn ich unten bin.» Aufnahme beendet, senden, erledigt. Ein paar Sekunden später fragte ich mich, ob sie überhaupt mit dem Wort Uphill etwas anfangen kann. Klar, es lässt sich schnell herleiten, wenn man ein klein wenig Englisch spricht. Aber wie wirkt das eigentlich auf Nicht-Mountainbiker? Hätte ich nicht einfach Anstieg oder Auffahrt sagen können!?
Spätestens seit dem viralen NSMB-Clip «How to be a Mountainbiker» aus dem Jahr 2013 wissen wir genau, was wir zu tun haben, wenn wir dazugehören wollen: «Learn basic mountainbiker jargon! Stoked, rad, gnarly, flow, Bro, shred, scrub …» Wer die wichtigsten Wörter nicht kennt, kann nicht mitreden. Und ist folglich draussen. Also bauen wir vorsichtshalber ausreichend Fachbegriffe oder Anglizismen in unseren täglichen Mountainbiker-Sprachgebrauch ein – oder?
Ursachenforschung
Vielleicht steckt auch etwas Anderes dahinter. Ein bisschen Bike-Talk ist ja per se nichts Schlechtes. Ausser, er wird inflationär verwendet – das führt zumindest bei mir zu gewissen Aversionen. Aber mal ehrlich Dudes, sind eure Trails tatsächlich immer alle off-camber?
Warum verwenden wir eigentlich so gerne Fachbegriffe oder Wörter, die nur Insidern etwas sagen? «Man muss unterscheiden zwischen einer standardisierten Fachsprache, zum Beispiel in der Medizin, und einem Fachjargon, wie er sich in einer sozialen Gruppe, zum Beispiel mit gemeinsamen Freizeitinteressen, eingebürgert hat», beantwortet Christina Dürscheid meine Frage. Sie ist Professorin für Deutsche Sprache, insbesondere Gegenwartssprache an der Universität Zürich. Dass wir Mountainbiker einen solchen Fachjargon verwenden, hat aus ihrer Sicht mehrere Gründe, die sowohl auf der Inhalts- als auch auf der Beziehungsebene zu finden sind. Klingt sehr theoretisch. Was heisst das nun genau?
Auf der Beziehungsebene geht es, wie schon vermutet, darum, dazuzugehören: «Eine solche Ausdrucksweise stärkt die Gruppenzusammengehörigkeit», erklärt Christina Dürscheid. «Man kann auf gemeinsames Hintergrundwissen Bezug nehmen und sich nach aussen als ‚Peergroup‘ – die Mountainbiker-Szene – darstellen. Rein inhaltlich gesehen bringen Fachbegriffe einige praktische Vorteile: Sie sind präziser als allgemeinsprachliche Bezeichnungen, manches Mal sind sie auch ökonomischer, alle wissen sofort, wovon die Rede ist», sagt die Professorin. Stimmt – also zumindest die meisten unter uns Bikern. Mit einem Wort ist alles gesagt, lange Erklärungen sind überflüssig. Sick!
Born in the U.S.A.
Das gelte im Übrigen auch für die innerhalb einer Szene gebrauchten Fremdwörter, insbesondere Anglizismen, sagt Christina Dürscheid. «Oft stammen Fachausdrücke ja auch aus dem Englischen, dann werden diese eins zu eins ins Deutsche übernommen», fügt sie hinzu. Da ist gleich das Mountainbike selbst das passende Beispiel, als dessen Geburtsort allgemein der Mount Tamalpais in Marin County, Kalifornien, gilt. Am Ende ist es wohl – wie bei so vielem – neben all den praktischen Aspekten auch ein Stück weit Geschmacksache, wie wir uns ausdrücken. Und wie weit wir uns dem Bike-Trash-Talk hingeben. Konzentrieren wir uns einfach auf die wesentlichen Dinge und gehen biken, hacken, shredden, senden … What? Keine Ahnung, wovon ich rede? Hold my beer!
Mirjam Milad

Jahrgang 1982, freie Redakteurin, schreibt seit vielen Jahren für unterschiedliche Mountainbike-Medien in Deutschland und der Schweiz. Seit 2020 auch Geschäftsführerin des Mountainbikevereins in Freiburg i. Br. Kommentare