Jetzt hat es Specialized getan: E-PO für Trailfahrer
vor 9 Jahren von 1wheel
Bis zu 90 Newtonmeter Drehmoment und 530 Watt Leistung: Das E-MTB Turbo Levo von Specialized.
Grosse News vom grossen S: Specialized bringt E-Power auf den Trail. Und wie es sich für die Kalifornier gehört, präsentieren sie dabei zum Start nicht nur ein Modell. Unter dem Namen Turbo Levo bringen sie gleich acht Modell raus, die Top-Version als S-Works. Neben der Fatbike-Version haben fünf Modelle 650B-Pneus in drei Zoll breite. Die Konkurrenz nennt diesen neuen Standart 27,5+.
Vor der ersten Fahrt bin ich skeptisch. Als passionierter Trail- und Bergabfahrer verstehe ich das Biken so, dass ich der Motor bin und das Bike die Muskelkraft auf das Hinterrad überträgt. Nun unterstützt mich also ein über drei Kilo schwerer Elektromotor, angetrieben von einer Batterie im Unterrohr.
Das Bike ist etwa 22 Kilo schwer, die breiten Pneus sind die zweite Premiere für mich. Die Optik ist gewöhnungsbedürftig: Man hat den Eindruck, beinahe auf einem Fatbike zu sitzen, obwohl Sand und Schnee weit weg sind. Die Bedenken punkto Rollwiederstand verschwinden nach dem ersten Druck auf die Pedalen. Der Sensor arbeitet so fein, dass man kaum spürt, wenn der Motor mehr oder weniger Power abgibt - er regiert quasi fliessend auf die Energie, welche der Fahrer beisteuert. Je mehr Watt vom Mensch ausgehen, desto stärker ist die Unterstützung.
Treten, treten, treten
Bei der Testfahrt geht es gleich über coupiertes Gelände mit heftigen Wurzelpassagen. Die Dreizoll-Walzen mit ihrem Aussendurchmesser eines 29-Zoll-Rades rollen über alles drüber. Schnell ist klar, dass permanentes Treten das beste Mittel ist, um den Power des Motors auszunutzen.
Mit 90 Newton Drehmoment und 530 Watt maximale Leistung trägt das Levo den Fahrer mühelos technische Anstiege hoch. Nach den ersten rasanten Aufstiegen wagen wir uns an immer verblocktere Uphills heran. Es ist anstrengend, denn ohne kräftige Pedalbewegungen kommt man nicht durch die schwierige Stellen. Doch als wir auf Anhieb eine Stelle rauffahren, die man ohne Motor und beim besten Willen kaum bewältigen kann ist klar: Das Levo funktioniert auf Uphills hervorragend. Das Gewicht spielt keine Rolle, der Grip der breiten Pneus ist brachial.
Auf flachen Passagen ist das Tempo ebenfalls höher als bei gleichem Puls auf einem herkömmlichen Trailbike. Selbst grössere Hindernisse kann man flüssig überfahren, Federung und Pluspneus schlucken das Meiste weg. Bunnyhops zieht man zwar nicht spontan, doch die agile, auf spassiges Fahren ausgerichtete Geometrie mit dem kurzen Hinterbau erlaubt es, den Brummer gut hochzuziehen. Wurzeln, Wellen und andere „Kicker“ verhelfen zu veritablen Sprüngen - und kaum am Boden gehts weiter mit dem Pedalieren.
Abfahrt mal anders
Runter zieht einen das Turbo Levo zügig, doch das Handling ist zunächt ungewohnt. Das hohe Gewicht fühlt sich im ersten Moment an wie ein Downhiller Anfangs 2000. Doch das ändert sich schnell. Der zusätzliche Ballast ist vor allem in der Mitte unten zentriert und fein ausbalanciert. Dadurch hat man das Gefühl, am Boden zu kleben. Das sorgt für ein Plus an Grip, aber auch für eine verminderte Wendigkeit.
Mit der Zeit merkt man, dass die fetten Reifen ihren Weg fast selber suchen. Locker bleiben und drüberrollen ist das Motto. Wird es technisch und pedalieren liegt nicht mehr drin, spürt man den Motor überhaupt nicht mehr. Die Kurbeln sind mit einem internen Freilauf verbunden, der sich komplett vom Antrieb abkoppelt. Allerdings ist es wichtig, keinenfalls die Pedale nach vorne zu bewegen, wenn man keinen Schub will. Sonst kann es vorkommen, dass der Motor anschiebt, obwohl man eine hackelige Kurve ganz langsam runterzirkeln will.
Nach zwei Stunden mit nur kurzen Pausen Trails shredden erreichten wir den Ausgangspunkt. Die Batterien hatten noch 20 bis 30 Prozent Ladung, unsere Beine etwa eben so viel. Wir waren tüchtig ins Schwitzen gekommen, denn die Philosophie von Specialized hat was: Das Bike ist nicht nur für die gemütlichen Kiesweg-Fahrer geeignet, sondern auch für die sportlichen Trailfahrer, die in kurzer Zeit möglichst viel Kilometer fahren wollen. Wir hatten danke dem Motor eine gut vierstündige Tour doppelt so schnell absolviert. Ein Grund war auch, dass man mit dem Turbo Levo gleichmässiger treten kann und so weniger schnell ermüdet, als bei den sonst üblichen Intervalls mit knackigen Sprints an kurzen Anstiegen und den sauren Beinen bei langen Uphills.
Bei dieser ersten Fahrt bekam ich den Eindruck, dass Specialized mit dem Turbo Levo eine neue Kategorie im Bikesport etablieren wird. Der Fahrspass ist enorm, auf der Feierabendrunde kann man seinen Hausberg zweimal rauf und runter fahren, statt wie bisher nur einmal. Eingestellt wird der Motor via Android und iApp, unter anderem lässt sich programmieren, wie viel Power übrig bleiben soll, wenn man das vorher definierte Ziel erreicht hat. Und eine simple Anzeige an der Batterie informiert auf einen Blick, wieviel Strom noch unter dem Po zur Verfügung steht.
Fazit: Mit solchen E-MTBs wird die Diskussion über Sinn und Unsinn dieser Geräte nun richtig lanciert. Allerdings kann man nicht mehr behaupten, nur unfitte Gelegenheitsbiker steigen auf elektronisch unterstützte Maschinen. Im Gegenteil: Tourismusgebiete sollten sich überlegen, ob sie verschieden schwierige Aufstiegsrouten ausschildern sollen. Denn mit dem Turbo Levo will man schwarze Uphill fahren. Und die kommen nur versierte Biker hoch.
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